Zurückhaltender Fischzug – Jens Krassner blog article – February 2015

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Zurückhaltender Fischzug von Jens Krassner

Performance im KunstKraftWerk Leipzig Veröffentlicht am 19. Februar 2015
Die kleinen Störe im runden Bassin machen nicht direkt einen unglücklichen Eindruck. Noch besser würden sie sich aber sicherlich in ihrem natürlichen Umfeld fühlen. Neben dem Becken arbeitet eine Maschine, um zumindest unter diesen Bedingungen der Gefangenschaft verträgliche Bedingungen für die Fische zu schaffen. Auf das Vorhaben, die Wassertemperatur an die Börsenkurse großer fischverarbeitender Konzerne zu koppeln, hat der Künstler Ting-Tong Chang verzichtet. Sonst hätte er während seiner zweiwöchigen Performance wahrscheinlich nichts zu essen. Denn er wohnt während dieser Zeit in einem Zelt inmitten des KunstKraftWerks, holt sich mit einem Netz nach Bedarf einen Stör aus dem Becken, kocht daraus eine Suppe. Abwechslungsreiche Ernährung ist das nicht gerade, eingefleischte (!) Vegetarier oder gar Veganer kann er damit sogar zum Aufstand treiben. Und für das betreffende Exemplar des Fisches hat sich die Frage nach der Glücksseligkeit sowieso erledigt.

Was also treibt den Taiwanesen, der auch in London lebt, zu dieser zwiespältigen Aktion? Als Öko-Künstler möchte er sich nicht verstehen. Aber politisch ist er auf jeden Fall. Auf seiner Internetseite ist unter anderem dokumentiert, wie er versucht, Mitglied der „Aryan Front“ zu werden, da aber schon seines unarisch klingenden Namens wegen auf tiefe Skepsis stößt. Andere Arbeiten, zumeist Rauminstallationen, können verspielt sein wie sein ironisches „Selbstporträt“ als Winkekatze mit Ventilator. Provokativer ist eine Kreuzigungsszene mit elektrischer Laufschrift.

So ganz nach artgerechter Haltung oder gar vorbildlichem Aussteigerverhalten sieht die aktuelle Erforschung des Glückszustandes von Fischen eigentlich nicht aus. Nach Kunst zunächst auch nicht unbedingt. Dazu kann man hingegen zunächst ohne Zweifel die Tuschezeichnungen ansehen, die Ting-Tong Chang in den Pausen zwischen den Fischzügen anfertigt und an die Wand pinnt. Der eigentliche kreative Akt kann aber darin bestehen, auf die angedrohte Änderung der Wassertemperatur zu verzichten. Den betreffenden Konzernen sind solche Sensibilitäten nämlich scheißegal.

Ting-Tong Chang – Whence Do You Know the Happiness of Fish?
KunstKraftWerk Leipzig, Saalfelder Str. 8b
noch am 20., 21., 22., 25. und 26. Februar 13-19 Uhr zu sehen

http://kunstszene-leipzig.de/zurueckhaltender-fischzug/#more-1636

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